BGF aus Sicht von FunktionsträgerInnen
Je nachdem welche Aufgaben eine Person in einem Unternehmen erfüllt, stellen im Zuge von Überlegungen für oder gegen BGF unterschiedliche Fragen.
Unternehmensleitung
Betriebsrat / Betriebsrätin
Sicherheitsfachkraft
ArbeitsmedizinerIn
Unternehmensleitung
„Unsere Firma hält sich an die geltenden Vorschriften zum ArbeitnehmerInnenschutz, zumindest hat es von Seiten des Arbeitsinspektorats in den letzten Jahren keine Beanstandungen gegeben. Unsere Krankenstände sind nicht hoch und im Einzelfall oder saisonal erklärbar. Müssen wir jetzt trotzdem BGF machen?“
Von Müssen ist keine Rede. Einhalten MUSS man die Arbeitsschutzvorschriften. Allerdings: Vieles, was einen in der Arbeit längerfristig gesundheitlich belasten und krank machen kann, ist nicht verboten.
Krankenstände (d.h. ob jemand wegen Krankheit nicht zur Arbeit kommt und dies im Einzelfall womöglich auch noch ärztlich bestätigt wird) bzw. die Anwesenheit in der Firma sind kein geeigneter Maßstab dafür, ob man gesund und ‚gut drauf ist’ und damit die Arbeit gut von der Hand geht. Gerade wenn Arbeitsprozess und Arbeitsergebnis verlangen, dass man sich konzentrieren kann, dass man vielleicht mit anderen Mitgliedern des Teams oder den KundInnen gut zusammenarbeitet, spielt es eine große Rolle, ob belastende Faktoren ausgeschaltet und die Arbeitsfähigkeit fördernde Faktoren verstärkt werden.
Ein BGF-Projekt setzt Ideen frei, wie die tägliche Arbeit reibungsfreier, weniger belastend getan werden kann – insofern zielt BGF auf das Nützen der Stärken des Betriebs für gesünderes (= reibungsfreieres, belastungsfreieres) Arbeiten und auf das Beseitigen von Problemen, egal ob die behindernden Faktoren verboten sind oder nicht.
Übrigens: Gesunde und anregende Arbeitsbedingungen und Abläufe, durch die man nicht behindert oder belastet wird, sind für ALLE Menschen im Unternehmen günstig. Auch Leitungsaufgaben erledigt man unter gesunden Umständen besser.
Betriebsrat / Betriebsrätin
„Ein BGF-Projekt richtet ‚neben’ dem Betriebsrat zumindest auf Zeit andere Strukturen für die Mitsprache der Beschäftigten ein (Gesundheitszirkel). Unterläuft das Unternehmen damit etablierte und von der Arbeitsverfassung vorgesehene Mitspracherechte und –möglichkeiten?“
Die BGF ersetzt auf keinen Fall in der Arbeitsverfassung festgeschriebene Mitbestimmungsrechte. Sie erweitert allerdings das inhaltliche Spektrum: Die Verbesserung von Arbeitsbedingungen bedeutet ja oft, dass einzelne Arbeitsplätze, Abläufe oder Strukturen genauer untersucht und Vorschläge zur Veränderung ausgedacht werden müssen. Dies leisten in einem BGF-Projekt die MitarbeiterInnen in den Gesundheitszirkeln.
Ob die Vorschläge dann aufgegriffen und umgesetzt werden, bestimmen schlussendlich die EntscheidungsträgerInnen im Unternehmen. Obwohl viele in BGF-Projekten erarbeitete Vorschläge nicht nur der Gesundheit der MitarbeiterInnen nützen, sondern auch dem Unternehmen, kann eine Entscheidung für oder gegen Umsetzung auch von den Kräfteverhältnissen im Unternehmen abhängen.
Wenn der Betriebsrat / die Betriebsrätin die aus den Gesundheitszirkeln kommenden Verbesserungsvorschläge unterstützt, kann dies zur Umsetzung wesentlich beitragen. Der der Betriebsrat / die Betriebsrätin bewegt sich damit selbstverständlich innerhalb seiner von der Arbeitsverfassung festgelegten Zuständigkeit. Die rechtliche Stellung des der Betriebsrat / die Betriebsrätin erlaubt es jedenfalls, beharrlicher und konsequenter auf Umsetzung zu drängen, als dies die Betroffenen selbst tun können. Die Erfahrung von MitarbeiterInnen, dass ihr Engagement auch Verbesserungen bringt, kann dadurch sogar zu einer höheren Wertschätzung für die kollektive Interessenvertretung führen.
Sicherheitsfachkraft
In den meisten Unternehmen ist die Evaluierung der Arbeitsplätze eine Domäne der Sicherheitsfachkräfte. Die zur Verfügung stehenden Präventionszeiten machen es allerdings oft schwierig, über technisch gut messbare Parameter und über in Rechtsvorschriften klar geregelte Umstände (z.B. Raumgrößen) hinaus, brauchbare Beurteilungen zu erarbeiten.
Insbesondere wenn Arbeitsprozesse nicht sichtbar sind, wenn Unfallrisiken weniger, Erkrankungsrisiken aber mehr Bedeutung haben (typisch für büroähnliche Arbeit), bedarf es der Einbeziehung von MitarbeiterInnen. Der Gesundheitszirkel ist ein Instrument, mit dem manchmal zwar auch versteckte Sicherheitsmängel entdeckt, in den meisten Fällen aber vor allem langfristig die Gesundheit beeinträchtigende Faktoren (Ergonomie, Arbeitsabläufe etc.) bearbeitet werden. In vielen Fällen braucht es zusätzlich das fachliche Know-How der SFK, um Lösungsvorschläge in eine technisch machbare Form zu bringen (z.B. wenn Raumklima, Beleuchtung oder störender Lärm bearbeitet werden sollen).
ArbeitsmedizinerIn
Gerade in KMUs der IKT Branchen ist mit wenig offensichtlichen Gesundheitsproblemen zu rechnen – z.B. sind körperliche Schwerarbeit oder Unfallrisiken kein Thema. Insgesamt im Durchschnitt deutlich jüngere Belegschaften bedeuten auch, dass altersbedingte Beschwerden derzeit noch wenig Rolle spielen.
Von sehr großer Bedeutung sind die langfristigen Folgen ungünstiger Arbeitsbedingungen für die Gesundheit häufig auch (oder gerade) dann, wenn aktuell wenig Belastung erkennbar / spürbar ist. Ergonomisch ungünstige Arbeitsplätze, Stress aufgrund verschiedenster Ursachen, organisatorische Abläufe, die zu Missverständnissen, Reibungen, Doppelarbeit und Fehlern führen – wenig davon ist unmittelbar dramatisch. Anders sieht es allerdings auf längere Sicht aus.
Gerade in Unternehmen mit einer hohen Zahl von Büro- und büroähnlichen Arbeitsplätzen lohnt es sich daher, die MitarbeiterInnen organisiert in die Analyse und Entwicklung der Arbeit (einschließlich der Arbeitsabläufe) einzubeziehen. Das Hauptinstrument der BGF, der Gesundheitszirkel, erweitert gängige Formen (Einzelgespräch und Arbeitsplatzbegehung), wie ArbeitsmedizinerInnen üblicherweise Kontakte zu MitarbeiterInnen pflegen. Dies geschieht vor allem dadurch, dass in den Zirkeln auch über die jeweilige persönliche Sicht hinaus Bestehendes beurteilt und Verbesserungen entwickelt werden.
Auf diesem Weg entstehen häufig Verbesserungen, die sehr im Sinn einer präventiven Absicht der Arbeitsmedizin längerfristig wirken. Die Mitarbeit des/der Arbeitsmediziners/in in der Steuerungsgruppe ergänzt die aus den Zirkeln kommenden Vorschläge um arbeitsmedizinisches Know-How.