Arbeitszeit & Vereinbarkeit mit Privatleben
Flexibilität, ständige Erreichbarkeit, Unvorhersehbarkeit, (über)lange Arbeitszeiten – all das sind Schlagworte, welche die Rahmenbedingungen und Arbeitsanforderungen der Beschäftigten in IKT-Unternehmen beschreiben. Die Gefahr des Überhandnehmens der Erwerbsarbeit durch diese Entgrenzung von Arbeit und Privatleben ist im IKT-Bereich besonders groß. Folgen präsentieren sich oft erst nach längerer Zeit – Abreißen sozialer Kontakte, Scheitern von Beziehungen, Vernachlässigung von körperlichem Ausgleich bis hin zu Burnout.
Ausgangslage
Flexibilität ist ein häufig genanntes Schlagwort in Verbindung mit IKT-Unternehmen. Flexibilität wird in Verbindung mit Arbeitszeit häufig als Ressource genannt. Fakt ist, dass technische Tätigkeitsbereiche fast immer vollen Einsatz von den MitarbeiterInnen verlangen. Teilzeitarbeitsplätze gibt es in den technischen Berufen kaum. Flexible Arbeitszeiten im IKT-Unternehmen werden oft sehr einseitig gelebt – flexibel im Sinn von möglichst umfassender Verfügbarkeit der MitarbeiterInnen.
Zeitaufzeichnung gibt es nicht in allen Unternehmen. D.h. MitarbeiterInnen können häufig nicht genau nachvollziehen, wie viele Stunden sie tatsächlich gearbeitet haben. In einzelnen Betrieben ist es „normal“, dass die reale Arbeitszeit die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit regelmäßig deutlich übersteigt – mit oder ohne finanziellem Ausgleich oder Zeit-Ausgleich.
Zu Arbeitsspitzen ist das Leisten von Mehrarbeit bis zu einem bestimmten Maße auch notwendig und nicht gesundheitsgefährdend. Problematisch wird es dort, wo Arbeitsspitzen zum Dauerzustand werden, auf Arbeitsspitzen keine Erholungsphasen folgen. Dazu kommt, dass Arbeitzeiten oft schwer berechenbar und planbar sind. Das bringt besonders MitarbeiterInnen mit Betreuungspflichten in Konflikt mit anderen an sie gestellten Ansprüchen.
Eine wesentliche gesundheitliche Ressource liegt in einem erfüllten Privatleben – soziale Kontakte, Bewegung, Erholung, Familie. In dem Maße wie Erwerbsarbeit überhand nimmt, schwindet die Chance, diese menschlichen Grundbedürfnisse leben zu können. Familie, Freundschaften, Hobbies laufen auf Dauer nicht nebenher, sondern verlangen Investitionen. Frauen und Männer trifft das in unterschiedlichem Ausmaß, weil Frauen immer noch die Hauptverantwortung für Familien-, Haushalts- und Beziehungsarbeit zugeschrieben und von ihnen auch wahrgenommen wird.
Ein Unternehmen tut sich in vielerlei Hinsicht Gutes, wenn es dazu beiträgt, die Vereinbarkeit von Erwerbsarbeit und Privatleben ihrer MitarbeiterInnen zu unterstützen. Auf Dauer gesunde und ausgeglichene MitarbeiterInnen arbeiten effizienter und können kreativer sein. Familie und soziale Kontakte sind ein wichtiges Lernfeld zum Erwerb von sozialen Kompetenzen. Unternehmen, welche die Vereinbarkeit von Beruf und Familie für junge Eltern durch entsprechende Rahmenbedingungen fördern, sind für viele fähige Frauen und Männer attraktiver als solche, die hier keine Rücksicht nehmen – mit den MitarbeiterInnen bleibt den Unternehmen so wertvolles unternehmensspezifisches Know How erhalten.
Lösungen
Was kann das Unternehmen dazu beitragen, dass sich Arbeitszeit in gesunden Grenzen hält, Vereinbarkeit möglich ist und gleichzeitig der Betrieb reibungslos weiterläuft?
Ein Schlüssel dazu liegt in einer durchdachten Arbeitsorganisation. Z.B.:
- Das Reagieren auf unerwartete und unplanbare Ereignisse ist Teil des Berufsalltags von IKT-Unternehmen, trotzdem lässt sich eine Vielzahl von Ad-hoc-Aufgaben durch gut durchdachte Arbeitsorganisation vermeiden.
- Das Erfordernis der ständigen Erreichbarkeit ist ein Merkmal vieler IKT-Unternehmen. Für die MitarbeiterInnen bedeutet das ein Verschwimmen der Grenzen zwischen Freizeit und Arbeitszeit. Erholung und Abschalten wird schwierig. Durchdachte organisatorische Regelungen können hier vielfach Erleichterung schaffen, ohne dass die Betreuungsqualität für die KundInnen darunter leiden muss.
- Die Abhängigkeit von der Verfügbarkeit einzelner MitarbeiterInnen, kann verringert werden, indem Wissen auf mehrere Personen verteilt oder zentral zugänglich gemacht wird.
Freiräume, die durch optimierte Strukturen und Prozesse gewonnen werden, dürfen nicht durch Mehrarbeit sofort wieder zugepflastert werden!!!
Ein weiterer Schlüssel liegt im Hinterfragen von dem was „üblich“ ist:
- Können technische Tätigkeitsbereiche wirklich nur von Vollzeitkräften gut ausgefüllt werden? Gerade in Bereichen der Projektarbeit lassen sich hier gut Abgrenzungen schaffen. Umso klarer Zuständigkeiten und Aufgabenbereiche verteilt und kommuniziert sind, desto leichter lassen sich Bereiche auf mehrere Personen aufteilen, ohne das Reibungsverluste entstehen.
- Müssen MitarbeiterInnen immer alle Tätigkeiten vom Büro aus durchführen? Wäre es unter definierten Umständen, Ausmaß und Rahmenbedingungen nicht auch möglich von zu Hause aus zu arbeiten?
- Muss an Zwickeltagen wirklich immer wer von den Verwaltungsangestellten verfügbar sein?
- Ist es wirklich so eine Katastrophe, wenn ein Mitarbeiter oder einer Mitarbeiterin für begrenzte Zeit in Karenz geht, um sich familiären Verpflichtungen zu widmen – zumal es ja Monate im Voraus planbar ist?
- Sind solche Fragen nicht vielmehr Fragen der Prioritätensetzung als Fragen der Machbarkeit?
- Usw.
Konkrete Lösungsvorschläge und Maßnahmen aus den switch-Projektunternehmen zum Bereich „Arbeitszeit & Vereinbarkeit“ lagen in den Bereichen:
- Einführung einer Zeitaufzeichnung
- Klären von Rahmenbedingungen zum „Arbeiten von zu Hause aus“
- Maßnahmen aus den Bereichen Arbeitsorganisation, Information & Kommunikation
- Bei gemeinsamen Firmenaktivitäten, wie Betriebsausflug oder Fortbildungen, Termin rechtzeitig bekannt geben, damit steigt für MitarbeiterInnen mit Betreuungspflichten die Möglichkeit zur Teilnahme. Ev. Kinderbetreuungsmöglichkeiten organisieren.
- Usw.
Beispiel
Anonymisierter Auszug aus einem Vorschlagskatalog zum Thema „Arbeiten von zu Hause aus“ als konkretes Beispiel für ein Gesundheitszirkel-Ergebnis: